Aufgabe 19

 

A 1: Aceton - eine vielseitige Chemikalie

Vorgabe:

Aceton (Propanon) wird in den unterschiedlichsten Bereichen verwendet, z. B. in der Lack- und Klebstoffindustrie als universelles Löse- und Extraktionsmittel. Größtenteils wird Aceton jedoch als Ausgangsstoff bei zahlreichen Synthesen eingesetzt, vornehmlich in der Kunststoffchemie.
Zur Produktion von Aceton werden verschiedene Verfahren genutzt. Bei diesen werden als Ausgangsstoffe Propen und Propan-2-ol eingesetzt, die ausschließlich aus Erdöl gewonnen werden. Die Oxidation zu Aceton erfolgt katalytisch. Derzeit wird nach alternativen Synthesewegen für Aceton geforscht. Es wurden Mikroorganismen gefunden, die in der Lage sind, aus Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff Aceton zu produzieren. Dieser noch zu optimierende Syntheseweg könnte zukunftsweisend sein.
Für die Synthese von Cyanhydrin (2-Hydroxy-2-nitrilo-propan), dem Ausgangsstoff für die Herstellung von „Plexiglas“, wird Aceton mit Cyanwasserstoff (HCN) umgesetzt.

 

Die Reaktion mit Cyanwasserstoff ist typisch für Aldehyde und Ketone. Diese sogenannte Cyanhydrinsynthese ist wegen der Bildung neuer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen bedeutsam.
Eine weitere Reaktion von Aceton, bei der die Kohlenstoffkette ebenfalls verlängert wird, tritt bei Zugabe von Hydroxid-Ionen ein. Aceton reagiert dabei als Säure zu einem Carbanion:

 

Dieses Carbanion addiert sich an ein weiteres Acetonmolekül. Nach Aufnahme eines Protons entsteht 4-Hydroxy-4-methyl-pentan-2-on. Wird dieses mit einer Säure versetzt, reagiert es weiter zu 4-Methyl-3-penten-2-on.
Auch zur Gewinnung von 1-Bromaceton (1-Brompropanon), das als Tränengas Einsatz findet, wird Aceton verwendet. Die Reaktion zur Synthese von 1-Bromaceton ist eine säurekatalysierte Bromierung. Die Reaktion verläuft in folgenden Teilschritten:

Aufgabe:

1. Erklären Sie die Verwendung von Aceton als universelles Lösemittel anhand der Molekülstruktur. Geben Sie zu den Synthesen von Aceton aus Propen bzw. Propan-2-ol Reaktionsgleichungen an. Begründen Sie, warum die Synthese von Aceton mithilfe von Mikroorganismen in der Zukunft bedeutsam sein kann.
2. Erläutern Sie den Reaktionsablauf für die Synthese von Cyanhydrin aus Aceton und Cyanwasserstoff in Einzelschritten und unter Angabe des Reaktionstyps. Vergleichen Sie die Reaktionsgeschwindigkeiten der Cyanhydrinsynthese mit Aceton bzw. mit Ethanal.
3. Geben Sie die Strukturformeln von 4-Hydroxy-4-methyl-pentan-2-on und 4-Methyl-3-penten-2-on an. Geben Sie den Reaktionstyp für die Synthese von 4-Methyl-3-penten-2-on aus 4-Hydroxy-4-methyl-pentan-2-on an. Erläutern Sie den Reaktionsablauf in Einzelschritten für diese Synthese.
4. Erläutern Sie die Isomerie am Beispiel von Aceton und 2-Hydroxypropen. Erläutern Sie den Reaktionsmechanismus für die Reaktion von Aceton zu 1-Bromaceton. Geben Sie für die Schritte 3 und 4 der Synthese von 1-Bromaceton den Reaktionstyp begründet an.

Zusazinformation:

A 2: Haut- und Haarpflege: Glycolsäure und Thioglycolsäure

Vorgabe:

Die beiden schwachen organischen Säuren Glycolsäure (Hydroxyethansäure, HO-CH2-COOH) und Thioglycolsäure (Mercaptoethansäure, HS-CH2-COOH) werden in der Haut- und Haarpflege eingesetzt.
Bereits seit Jahrhunderten machen sich Frauen die hautglättende Wirkung von organischen Säuren wie Milchsäure oder Weinsäure, die in verschiedenen natürlichen Produkten vorkommen, zu Nutze. Glycolsäurehaltige Kosmetika müssen mit dem Gefahrensymbol C (Ätzend) gekennzeichnet werden, wenn die Stoffmengenkonzentration der Glycolsäure größer als 1,3 mol/L ist. Die Einwirkdauer der Säure auf die Haut kann durch Aufbringen einer Natriumhydrogencarbonat-Lösung beendet werden.
In einem Labor wurde die Glycolsäure-Konzentration einer Kosmetikprobe bestimmt.
Versuch 1: Bestimmung der Glycolsäure-Konzentration einer Kosmetikprobe durch pH-metrische Titration
5,0 mL einer Probe (r = 1,0 g/mL) werden mit 10 mL destilliertem Wasser verdünnt und portionsweise mit Natronlauge (c = 1 mol/L) versetzt. Nach jeder Zugabe wird der pH-Wert gemessen.
Die Messergebnisse sind in der folgenden Grafik dargestellt:

Thioglycolsäure wird aufgrund ihrer reduzierenden Eigenschaft als Wellmittel in sogenannten alkalischen Dauerwellpräparaten verwendet. Durch Zugabe von Ammoniak wird ein pH-Bereich von 8,5 bis 9 eingestellt. Je höher der pH-Wert, desto besser ist die Wellwirkung des Haares. Saure Dauerwellmittel (pH 5 bis 6) enthalten vorwiegend Thioglycolsäuremonoglycerinester. Sie wirken bei dickeren Haaren nicht stark genug und sind nur im wasserfreien Zustand länger haltbar.
Der Anteil an Reduktionsmittel und der pH-Wert der Präparate unterliegen gesetzlichen Höchstgrenzen, um die Gefahr einer Haut- bzw. Haarschädigung weitgehend zu vermeiden. Lösungen auf Basis von Thioglycolsäure dürfen im gewerblichen Bereich höchstens einen Massenanteil von w = 11 % dieser Säure enthalten, für die Heimanwendung liegt die Höchstgrenze bei einem Massenanteil von w = 8 %. Der pH-Wert darf maximal 9,5 betragen.
In einem Versuch wurde ein Dauerwellpräparat zur Heimanwendung durch Bestimmung der Konzentration an Thioglycolsäure überprüft.

Versuch 2: Bestimmung der Thioglycolsäure-Konzentration in einem Dauerwellpräparat durch Iodometrie
0,6 g des Dauerwellpräparats werden mit 50 mL destilliertem Wasser und 5 mL Salzsäure versetzt. Nach Zugabe von Stärkelösung als Indikator wird die Probe mit Iodlösung (c = 0,05 mol/L) titriert. Bis zum Umschlagspunkt des Indikators werden 4,6 mL Iodlösung verbraucht.
2 HOOC-CH2-SH + I2 --> HOOC-CH2-S-S-CH2-COOH + 2 HI

Aufgabe:

1. Erläutern Sie für die Protolyse der Glycolsäure die Säure-Base-Vorgänge nach Brönsted. Erklären Sie, auch unter Angabe einer Reaktionsgleichung, wie die Einwirkdauer der Glycolsäure-Lösung auf die Haut durch Aufbringen einer Natriumhydrogencarbonat- Lösung beendet werden kann.
2. Erläutern Sie den Verlauf der Titrationskurve der pH-metrischen Titration einer glycolsäurehaltigen Kosmetikprobe mit Natronlauge. Begründen Sie, warum der Äquivalenzpunkt im alkalischen Bereich liegt. Prüfen Sie anhand einer Berechnung der Stoffmengenkonzentration an Glycolsäure in der untersuchten Probe, ob die Probe mit einem Gefahrensymbol gekennzeichnet werden muss.
3. Begründen Sie die unterschiedliche Säurestärke von Glycolsäure und Essigsäure (Ethansäure) unter Berücksichtigung der Bindungsverhältnisse. Erklären Sie mithilfe von Oxidationszahlen, warum es sich bei der Reaktion von Thioglycolsäure mit Iod um eine Redoxreaktion handelt. Überprüfen Sie anhand der Ergebnisse von Versuch 2, ob das Wellmittel für die Heimanwendung geeignet ist.
4. Erläutern Sie das Verhalten der Thioglycolsäure bei Zugabe von Ammoniak und die Wasserempfindlichkeit eines sauren Wellmittels. Diskutieren Sie die Verwendung alkalischer und saurer Dauerwellpräparate unter den Gesichtspunkten Wirksamkeit, Gesundheitsgefährdung und Schutzmaßnahmen.

Zusazinformation:

Natriumhydrogencarbonat: NaHCO3

pKs(Essigsäure) = 4,75

M(Thioglycolsäure)=92,1 g/mol

Thioglycolsäuremonoglycerinester

A 3: Alizaringelb-Synthese auf einem Ionenaustauscher

Vorgabe:

In der chemischen Forschung ist man daran interessiert, möglichst schnell und effektiv eine große Auswahl verschiedener Verbindungen zu synthetisieren, um anschließend deren Verwendung zu bestimmen.
Ein mögliches Syntheseverfahren ist das Arbeiten an stationären Phasen. Hierzu bringt man zunächst ein Edukt auf eine stationäre Phase auf, z. B. auf einen basischen Ionenaustauscher, der in Perlform vorliegt. Durch die Reaktion des mit dem Edukt beladenen Ionenaustauschers mit weiteren Komponenten lassen sich in verschiedenen Reaktionen unterschiedliche Farbstoffe herstellen.
Am Beispiel der Synthese des Farbstoffes Alizaringelb soll diese Methode dargestellt werden.
1. Aufbringen des Eduktes Salicylsäure (2-Hydroxybenzoesäure) auf einen basischen Ionenaustauscher (Bildung der Kupplungskomponente)

2. Herstellung der Komponente p-Nitroanilin
Ausgehend von Benzol wird durch Umsetzung mit Nitriersäure Nitrobenzol hergestellt, das mit Zink und Salzsäure zu Anilin reagiert. Bei der Nitrierung von Anilin mit Nitriersäure würde das gewünschte p-Nitroanilin nur in geringer Ausbeute entstehen, da unerwünschte Reaktionen auftreten. So wird z. B. m-Nitroanilin gebildet, da in saurer Lösung Anilin protoniert vorliegt.
Um eine hohe Ausbeute von p-Nitroanilin zu erreichen, wird ein anderer Syntheseweg gewählt. Dazu setzt man Anilin mit konzentrierter Essigsäure zum Acetanilid um. Mit Nitriersäure entsteht vorwiegend p-Nitroacetanilid, welches anschließend in alkalischer Lösung zu p-Nitroanilin hydrolysiert wird.
3. Festphasensynthese des Farbstoffes
Ein Gemisch aus Natriumnitrit, verdünnter Salzsäure und p-Nitroanilin wird auf die feste Phase, an die bereits Salicylsäure gebunden ist (Reaktionsprodukt aus 1), aufgebracht. Der Ionenaustauscher färbt sich gelb.
4. Gewinnung des Farbstoffes
Nach Zugabe von verdünnter Natronlauge zu den gelben Ionenaustauscher-Perlen färbt sich die wässrige Lösung gelb und die Ionenaustauscher-Perlen werden entfärbt. Nach weiterer Zugabe von Natronlauge zu der gelben Alizaringelb-Lösung tritt bei einem pH-Wert von 10 bis 12 eine Farbänderung der Lösung nach Orange ein.

Aufgabe:

1. Geben Sie für die Synthese von p-Nitroanilin, ausgehend von Benzol, stufenweise die Reaktionsschemata und Reaktionstypen an. Entwickeln Sie den Reaktionsverlauf (Mechanismus) der Reaktion zur Bildung von Nitrobenzol aus Benzol.
2. Begründen Sie den Ort der Zweitsubstitution bei der Bildung von p-Nitroacetanilid. Geben Sie dazu zwei Grenzstrukturen an. Erklären Sie, warum bei der Nitrierung von Anilin überwiegend m-Nitroanilin, aber kaum p-Nitroanilin gebildet werden würde.
3. Erläutern Sie die Reaktionen, die bei der Festphasensynthese (Schritt 3) ablaufen, auch anhand von Reaktionsgleichungen. Geben Sie eine Strukturformel des am Ionenaustauscher gebundenen Farbstoffes an. Erklären Sie die Beobachtungen nach Zugabe von Natronlauge zum gelb gefärbten Ionenaustauscher.
4. Beschreiben Sie am Beispiel von Alizaringelb die Zusammenhänge zwischen Lichtabsorption und Farbigkeit. Deuten Sie die Farbänderung von Alizaringelb nach Orange in stark alkalischer Lösung, auch mithilfe von zwei Grenzstrukturen.

Zusazinformation:

Nitriersäure ist ein Gemisch aus Schwefelsäure und Salpetersäure (HNO3)

Natriumnitrit: NaNO2

Zusammenhang von absorbierter Strahlung, zugehöriger Spektralfarbe und beobachteter Komplementärfarbe

Wellenlänge λ in nm Spektralfarbe  Komplementärfarbe
400 - 435 violrtt gelbgrün
435 - 480 blau gelb
480 -490 grünblau orange
490 - 500 blaugrün rot
500 - 560 grün ourpur
560 - 580 gelbgrün violett
580 - 595 gelb blau
595 - 605 ornage grünblau
605 770 rot balugrün

 

 

A 4: Schutzhandschuhe aus Kunststoff

Vorgabe:

In vielen Berufen ist die Haut besonderen Belastungen ausgesetzt. So kommen beispielsweise Friseure mit waschaktiven Substanzen in Kontakt, Fliesenleger hantieren mit alkalischem Zement und Beschäftigte der Textilindustrie gehen häufig mit Säuren und Basen, Farbstoffen und organischen Lösemitteln um. Zum Schutz der Haut bieten die Hersteller eine Reihe von Schutzhandschuhen aus verschiedenen Polymermaterialien wie Nitrilkautschuk, Butylkautschuk, Polyvinylalkohol oder Polyvinylchlorid an. Das eingesetzte Polymer entscheidet wesentlich über die Schutzwirkung eines Handschuhs. Neben der reinen Schutzwirkung sollen die Handschuhe sich durch ihre elastischen Eigenschaften gut an die Hand anpassen, damit sie sich nicht störend beim Arbeiten auswirken.
Nitrilkautschuk wird durch radikalische Polymerisation aus den Monomeren Acrylnitril und Buta-1,3-dien hergestellt. Als Initiator kann Lauroylperoxid verwendet werden.
Butylkautschuk entsteht durch kationische Polymerisation des Monomers 2-Methylpropen und geringen Anteilen von 2-Methylbuta-1,3-dien.
Polyvinylalkohol wird in zwei Syntheseschritten hergestellt: Im ersten Schritt wird Vinylacetat radikalisch polymerisiert, im zweiten Schritt wird das dabei entstehende Polyvinylacetat basisch hydrolysiert.
Die Kunststoffschichten eines Handschuhs bilden keine absolut sichere Barriere gegen Chemikalien. Je nach Handschuhmaterial und verwendeter Chemikalie gibt man sogenannte Permeationszeiten an. Diese geben an, welche Zeit vergeht, bis die Chemikalie durch en Handschuh die Haut erreicht hat. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Permeationszeiten einiger Handschuhmaterialien bei Kontakt mit verschiedenen Chemikalien. Die Permeationszeiten werden von Level 1 – 6 kategorisiert:
Level 1 > 10 min           Level 2 > 30 min          Level 3 > 60 min
Level 4 > 120 min         Level 5 > 240 min        Level 6 > 480 min

Tabelle 1: Permeationszeiten/Level einiger Chemikalien

  Butylkautschuk Polyvinylchloid
PVC
Polyvinylalkohol
PVA
Benzol C6H6 1 <1 6
Bitan-1-ol C4H9OH 6 6 3
Methanol CH3OH 6 6 <1
Toluol C6H5CH3 1 1 6
Aufgabe:

1. Skizzieren Sie den molekularen Aufbau eines Thermoplasten, Duroplasten und Elastomeren. Erläutern Sie die unterschiedlichen thermischen und mechanischen Eigenschaften dieser Kunststofftypen. Geben Sie begründet an, zu welchem Kunststofftyp Polyvinylalkohol (PVA) gehört.
2. Geben Sie ein Reaktionsschema für die kationische Polymerisation von 2-Methylpropen an. Erläutern Sie den Reaktionsmechanismus der radikalischen Polymerisation von Acrylnitril, auch anhand von Reaktionsgleichungen. Erläutern Sie unter Berücksichtigung induktiver Effekte, warum 2-Methylpropen kationisch, Acrylnitriljedoch radikalisch polymerisiert wird.
3. Zeichnen Sie einen Strukturausschnitt von Polyvinylacetat. Erläutern Sie die Hydrolyse zu Polyvinylalkohol in Einzelschritten, auch unter Angabe von Reaktionsgleichungen.
4. Geben Sie zwei Eigenschaften des Polymermaterials an, die die Permeationszeit beeinflussen. Erklären Sie, warum Butylkautschuk eine größere Permeationszeit für Methanol aufweist als Polyvinylalkohol. Beurteilen Sie, welches Handschuhmaterial für den Umgang mit Propan-1-ol geeignet ist.

Zusazinformation:

Kationische Polymerisation: Die Startreaktion ist die Bildung eines Carbenium-Ions durch Reaktion des Alkens mit einer Säure.

 

 

Lösung(14)